„Dort, wo die Utopien am weitesten entfernt zu sein scheinen, sind sie in Wirklichkeit am nächsten.“ Dominik Intelmann

Das Festival „Aufstand der Geschichten“ fand vom 3.-10. November 2018 in Chemnitz statt. Mit dem Festival haben wir die Zwischenräume von vergangenen Umbrüchen vermessen. Entlang von Daten, entlang von Räumen, entlang von persönlichen Geschichten. Zwischen Generationen, zwischen Kunst und Zivilgesellschaft, zwischen Stadtteilen. Zwischen 1989 und 1990, zwischen Heute und der Wende, zwischen dem Beginn und dem Ende des Ersten Weltkriegs, zwischen Heute und der Reichsprogromnacht, zwischen August und November 2018. Überall wimmelt es an Geschichten. Gemeinsam mit der Stadtgesellschaft haben wir Geschichten neu erzählt, neu kontextualisiert und neu geschrieben, das Gestern, Heute und Morgen in wechselnde Beziehungen gesetzt, neue Lesarten, neue Handlungs- und Möglichkeitsräume eröffnet. Was war? Was hätte sein können? Was ist? Und was könnte sein?

 

„Opposition ist nicht rechts oder links, die Opposition ist, ob man sich den Problemen einer Gesellschaft stellt und dafür ein Narrativ findet oder ob man auf Narrative zurückgreift, die viel einfacher sind als diese Welt.“ Armin Nassehi


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Eröffnungsrede Armin Nassehi – Narrative Authority. Wer spricht für wen?

 

Warum der Fokus auf Umbruchsgeschichten? Zum einen sind sie das Futter der aktuellen Macht- und Anerkennungskonflikte. Umbruchsgeschichten werden genutzt, um aktuelle Ereignisse zu verstehen, Menschen zu mobilisieren und um Aktionen als historische Aufgaben aufzuladen. Indem wir Erzählräume entlang verschiedener Umbruchsgeschichten für eine breite Stadtgesellschaft schaffen, entfesseln wir die Geschichten aus ihrer politischen Vereinnahmung. Zum anderen sind wir davon überzeugt, dass es neue und unentdeckte Geschichten braucht, die Orientierung geben, Gemeinschaft stiften, die Lücke nach dem vermeintlichen „Ende der Geschichte“ füllen.  

Das Festival bündelte die von uns über das Jahr initiierten oder begleiteten künstlerischen Produktionen, darunter Theaterstücke, Interventionen im öffentlichen Raum, Ausstellungen, Spaziergänge, und verknüpfte sie mit einem umfangreichen politischen Rahmenprogramm, bestehend aus Vorträgen, Workshops, Gesprächs- und Diskussionsrunden. Das Festival ist ein Netzwerkprojekt zwischen Kultur, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Verwaltung in Chemnitz. Insgesamt waren 40 AkteurInnen an dem Festival beteiligt. Mit den Programmpunkten haben wir im Festivalzeitraum insgesamt 3.270 Menschen erreicht.  

“Die Geschichte von Chemnitz muss weitererzählt werden. […] Ich bin sehr dafür, […] dass wir uns unterhaken und zusammenarbeiten: Politik, Verwaltung, Vereine, Kirchen, Polizei, Unternehmen, Kunst, Kultur, Sozialarbeit, Schule, alle gemeinsam. […] Ich glaube daran, dass wenn viele […] alle etwas Kleines tun, jeder von uns, wir sehr wohl das Gesicht der Welt, das Gesicht der Stadt, auch hier in Chemnitz verändern und bewegen können. Wir können Geschichten erzählen von mutigen Menschen, die nicht darauf warten, dass andere etwas tun und von Menschen, die sich ihre Stadt auch nicht wegnehmen lassen.” (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey, 03.11.2018, Eröffnung Festival „Aufstand der Geschichten“, smac)

KooperationspartnerInnen sind u.a. Die Theater Chemnitz, das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (SMAC), Spinnerei e.V., Zentrum für Darstellende Kunst Chemnitz, Haus Arthur e.V., Kreatives Chemnitz, CWE, Kulturbüro Sachsen e.V., Weiterdenken e.V. und viele andere, in Verbindung mit WissenschaftlerInnen der Technischen Universität Chemnitz und MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung. 

Aufstand der Dinge / Ein Generationenprojekt zur Nachwendezeit (Uraufführung)  Foto © Nasser Hashemi

Mit dem Theater Chemnitz entwickelten wir das Figurentheaterstück „Aufstand der Dinge“ (Regie: Mirko Winkel). Das Stück eröffnete das Festival. Im Fokus steht dabei die Nachwendezeit und das Narrativ vom „Wendeverlierer“ – das Umbruchsnarrativ, das aktuell wohl am stärksten die politischen Debatten prägt. Das Stück erweckt Objekte aus der DDR-Zeit als Zeugen dieser Umbruchsphase und eröffnete intergenerationale Erzählräume, z.B. zum Thema Treuhand.  

Mehr dazu hier: MDR Kultur, 03.11.2018: Theater bringt verschwundene Dinge auf die Bühne.

„Viele Menschen haben den Bruch nach 1989 noch nicht verarbeitet. Das überträgt sich bewusst und unbewusst auch auf das demokratische System.“ Petra Köpping

Wenn mich einer fragte … / Ein Stück über Stefan Heym und Chemnitz (Uraufführung)  Foto © Nasser Hashemi

Das Figurentheaterstück „Wenn mich einer fragte“ (Regie: Christoph Werner) holte den Ehrenbürger der Stadt Chemnitz, Stefan Heym, von den Nazis verfolgter Jude, Zeuge vielfacher Umbrüche sowie Autor verschiedener Visionen, auf die Bühne. Die lebensechte Puppe kam auch im Rahmen der Veranstaltung der Theater Chemnitz „Wir sind viele“ als Antwort auf die rassistischen Mobilisierungen auf dem Opernplatz Anfang September 2018 zum Auftritt.


In Kooperation mit dem Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (SMAC
) entwickelte der Budapester Künstler Szabolcs KissPal entlang der ausgestellten Objekte der Dauerausstellung neue Erzählungen zu Kultur und Nation.


In 
den „Pop-up Stories“ wurden im Stadtteil Sonnenberg leere Ladenzeilen reanimiert, um Geschichten von Migration über neue Ansätze des Storytellings wie in Schönheitssalons, Computerspielen oder Graphic Novels zu sammeln und zu verbreiten.  

Mehr Informationen: Freie Presse, 25.10.2018: Neues Festival erprobt den Aufstand der Geschichten.  

„Meine Erfahrung im Leben ist, dass sich alles verändert; nichts bleibt auf ewig wie es ist. (…) Aber wir müssen schon versuchen, selber etwas zu tun und zu zeigen, wer wir sind. Ich bin überzeugt, dann wird sich etwas ändern. Zu seufzen und zu jammern ist nicht genug.“ Stefan Heym


In der Schultheaterkooperation „Wir. Wie?!“ bearbeiten Jugendliche aus Chemnitz, Zwickau und Hamburg mittels des biographischen Theaters die Frage, wie Wendegeschichten über Globalisierung bis hin zu Digitalisierung erzählt werden und entwickeln eigene Narrative für die Zukunft. Ein erstes Ergebnis
 des mehrjährigen Projektes war während des Festivals zu sehen 

Mehr dazu hier: Julia Opitz: Die Kraft der Erzählung. Kultur öffnet Welten. 

Das Festival in Zahlen

  • 42 Veranstaltungen
  • 40 beteiligte Organisationen
  • 18 Veranstaltungsorte
  • 8 Tage
  • 3.270 BesucherInnen
  • 6 Theater- bzw. Operninszenierungen
  • 4 Ausstellungen
  • 2 Performances im öffentlichen Raum
  • 3 Pop-up Stories
  • 2 Lesungen
  • 2 interaktive Spaziergänge
  • 2 Filme
  • 3 Konzerte
  • 9 Podiumsgespräche
  • 5 Vorträge 
  • 2 Fachgespräche
  • 3 Gesprächsrunden
  • 2 Workshops

Links zu Programminhalten

– Programmheft des Festivals
– Beitrag des MDR über den interkulturellen Schönheitssalon Grand Beauty Salon
– Videoproduktion im Rahmen des Objekttheaterstücks „Aufstand der Dinge“  

Weitere Informationen

Programm nun

Das Programm nun wurde gefördert durch