Im Juli ermöglichte der ASA-FF und unser Mitglied Andrea den Besuch von drei kolumbianischen Anti-Kohle-Aktivist*innen in Leipzig.

Hier ihr Bericht:

Im Vorfeld der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg gingen drei Anti-Kohle-Aktivist*innen auf Rundreise durch Deutschland, um über die Folgen des Kohleabbaus in ihrer Heimatregion in Kolumbien und ihren Widerstand dagegen aufmerksam zu machen. Die 3-wöchige Rundreise vom 20. Juni bis 9. Juli 2017 wurde initiiert vom BUKO (Bundeskoordination Internationalismus) und machte Station in vielen Städten und Kohleabbauregionen Deutschlands. Vom 28. bis 30. Juni durften wir Jakeline Romero Epiayu, Catalina Caro Galvis und Samuel Arregocés in Leipzig willkommen heißen.

Während einer Abendveranstaltung, die mit Unterstützung des BUND Sachsen im Haus der Demokratie stattfand, erzählten Jakeline, Catalina und Samuel von der Kohlemine Cerrejón im Nordosten von Kolumbien, die der größte Steinkohletagebau Kolumbiens und Lateinamerikas ist. Sie steht exemplarisch für die unzähligen sozio-ökologischen Konflikte, die das auf Bergbau und Ressourcenabbau basierte extraktivistische Wirtschaftsmodell Kolumbiens mit sich bringt. Da Deutschland einen Großteil dieser Kohle importiert und damit direkt für die Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen Bevölkerung mitverantwortlich ist, nutzten wir die Veranstaltung auch für die Vorstellung des neu erschienenen Kohleatlas des BUND.
Catalina von der Umwelt-NGO Censat Agua Viva aus Bogotá berichtete von der großräumigen Verwüstung ganzer Landstriche, der Vernichtung von Biodiversität und Versteppung.  Wasserläufe versiegen aufgrund des riesigen Wasserbedarfs für die Mine. Arbeitsplätze werden überwiegend für Facharbeiter*innen geschaffen, nicht jedoch für die lokale Bevölkerung.
Als Vertreterin der Frauen-Organisation der Wayúu-Indigenen der Region Guajira (Fuerza de mujeres Wayúu Guajira) erklärte Jakeline, wie die kleinbäuerliche Landwirtschaft durch Wassermangel und versteppte Böden unmöglich wird. Die Bevölkerung kann ihrer traditionellen Arbeit nicht mehr nachgehen. Durch den Feinstaub und aus der Erde gelöste Schwermetalle treten gehäuft schwere Lungen- und Atemwegserkrankungen auf.
Samuel von der Organisation der vom Kohlebergbau vertriebenen und betroffenen Afrokolumbianer*innen in der Region Guajira beschrieb die verheerenden Folgen für die traditionellen Bewohner*innen der Region: Ganze Dorfgemeinschaften werden vertrieben und umgesiedelt und ihrer Lebensgrundlagen beraubt.
Wir danken den beiden Dolmetscherinnen Katja und Elena für ihre Unterstützung bei der Veranstaltung.

Den anschließenden Tag, den 29. Juni, begannen wir mit einem Besuch beim Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie, dessen Ansätze zu alternativem Wirtschaften und solidarischem Miteinander zu angeregtem Austausch über widerständige Strukturen gegen Kohleabbau in Kolumbien und Deutschland führten. Die Einladung zum gemeinschaftlichen Mittagessen nahmen wir dankend an.

Der in Leipzig lebende Journalist und Künstler Juan Manuel Ortega wuchs in unmittelbarer Nachbarschaft des Verladehafens der Kohle aus Correjón auf und nutzte den Besuch der Aktivist*innen für ein ausführliches Interview über die Kämpfe um Ressourcen durch die Betroffenen und Flüchtenden.

Nach einer unterhaltsamen Pause in der Leipziger Innenstadt waren wir ins freie Radio Blau geladen. Das fast 1-stündige Interview über die Erfahrungen der drei Aktivist*innen während ihrer Rundreise in Deutschland und über ihre politischen Anliegen wurde mithilfe unserer beiden Dolmetscherinnen zweisprachig ausgestrahlt. Es ist online zu finden unter: https://archive.org/download/keinekohle/keinekohle.mp3

Am Freitag, den 30.06., musste Jakeline uns schon früh verlassen, um ihre nächste Station in München zu erreichen. Catalina und Samuel begleiteten uns im Auto zum östlich von Leipzig gelegenen Gemeinschaftsprojekt im ländlichen Sehlis. Die Gemeinschaft bot uns eine inspirierende Führung über ihre Äcker, Gärten, Hof und Wagenplätze. Catalina und Samuel waren sehr an den hiesigen Konzepten der Subsistenzwirtschaft, den solidarischen und ökologischen Landbaumethoden und nachhaltigen Arbeitsweisen interessiert. Und berichteten ihrerseits von den Herausforderungen der Landwirtschaft im Nordosten Kolumbiens.

Von Sehlis ging die Fahrt weiter ins Mitteldeutsche Braunkohlerevier südlich von Leipzig. Im schönen Ort Pödelwitz trafen wir uns mit Jens, der als Vertreter der örtlichen Bürger-Initiative vom Widerstand gegen die drohende Abbaggerung des schon zu großen Teilen leerstehenden Dorfes erzählte. Bei einem Spaziergang an den Grubenrand direkt hinter dem Dorf diskutierten wir über Parallelen und Unterschiede der Vertreibung, Umsiedlung, Umweltzerstörung und Widerständen trotz politischer Repression in kolumbianischen und deutschen Kohleabbauregionen.

Nach diesen intensiven Tagen der Vernetzung und des Austauschs, machten sich Catalina und Samuel schließlich auf den Weg nach Cottbus, um das Lausitzer Braunkohlerevier zu besuchen.